Warum der FC Bayern Leroy Sané (nicht) braucht

Seit Monaten bemüht sich der FC Bayern München, Leroy Sané von Manchester City an die Säbener Straße zu lotsen. Doch immer wieder werden der Führungesetage des Rekordmeisters Zweifel an der charakterlichen Tauglichkeit des Nationalspielers nachgesagt - eine durchaus berechtigte Sorge.
Oliver Kahn, seines Zeichens designierter Vorstandschef, gab die Richtung vor: Der FC Bayern werde zukünftig bei Transfers nicht nur auf die spielerischen Qualitäten der potenziellen Neuzugänge achten. Auch der Charakter der Spieler stehe auf dem Prüfstand.
"Siegermentalität, Demut, Disziplin und Durchhaltevermögen" seien gefragt, umriss der ehemalige Torwart-Titan das Münchner Anforderungsprofil gegenüber der "Sport Bild" - Charaktereigenschaften, die man Leroy Sané nicht unbedingt zuschreiben würde.
Dem Sané, der die WM 2018 angeblich auch wegen seiner Nicht-Teilnahme am Confed Cup im Jahr zuvor verpasste. Dem Sané, der einen extravaganten Lebensstil führt und schon einmal wegen eines 18.000 Euro teuren Rucksacks in die Schlagzeilen geriet. Dem Sané, dem hinter vorgehaltener Hand immer wieder Lustlosigkeit vorgeworfen wird.
FC Bayern in ruhigem Fahrwasser
Die Leistungsträger der "besten Bayern der letzten zehn, 15 Jahre" (O-Ton Dietmar Hamann) in diesem von der Corona-Pandemie so durcheinander gewirbelten Frühsommer heißen Leon Goretzka, Joshua Kimmich oder Thomas Müller - allesamt Musterprofis, fernab jeder Allüren. Sie führen Hansi Flicks Münchner von Sieg zu Sieg, von Rekord zu Rekord.
Nach den Vertragsverlängerungen von Flick, Müller und Manuel Neuer dominieren sportliche Schlagzeilen das Geschehen.
Abseits des Platzes passiert rund um die Säbener Straße wenig Spannendes. Ein Szenario, wie es sich die Bayern-Bosse wünschen. Der FC Hollywood hat derzeit Sendepause.
FC Bayern: Umstrittener sportlicher Wert von Leroy Sané
Mit einem Transfer von Leroy Sané würden die Verantwortlichen nicht nur die Wohlfühl-Atmosphäre dieser Tage aufs Spiel setzen. Experten zweifeln auch am sportlichen Wert des Ex-Schalkers, dessen Marktwert auf rund 80 Millionen Euro taxiert wird.
"Wenn dieser Top-Trainer (Pep Guardiola, Anm. d. Red.) einen Spieler nicht mehr haben will und ihn im Champions-League-Viertelfinale 2019 gegen Tottenham in größter Not nur zweimal für addiert knapp zehn Minuten einwechselt, kann mit diesem Profi etwas nicht stimmen", sagte "Sky"-Experte Hamann schon im vergangenen Sommer, als Sané erstmals intensiv mit einer Luftveränderung gen München in Verbindung gebracht wurde.
Sané sei zwar "schnell und talentiert", schrieb DFB-Legende Jürgen Kohler in einer "kicker"-Kolumne, müsse "aber noch den Nachweis erbringen, dass er auf absolutem Top-Niveau ein Leistungsträger ist."
Auch die Bilanz von Sanés fast vier Jahren bei City fällt wechselhaft aus. Zwar ließ er seine unumstrittenen Qualitäten immer wieder aufblitzen, erzielte in 134 Pflichtspielen für die Sky Blues starke 39 Tore und bereitete 45 weitere Treffer vor. Doch zu den unumstrittenen Stammspielern gehörte Sané unter Guardiola nahezu nie.
Passt Leroy Sané charakterlich "überhaupt nicht" zum FC Bayern?
Charakterlich passe der angebliche Wunschspieler zudem "überhaupt nicht" zum FC Bayern, unkte der frühere Münchner Profi, Co- und Interimstrainer Willy Sagnol im französischen Radio. Sané sei jemand, "dessen Form sehr inkonstant ist und der sehr zurückgezogen ist. Er hatte schon viele Probleme bei Manchester City und der Nationalmannschaft."
Tatsächlich ist fraglich, ob Sanés extrovertierter Charakter zur homogenen, bodenständigen Truppe aus München passt.
Durch größere Eskapaden fällt der gebürtige Essener zwar nicht auf. Doch Sané mag es schrill, ist mit Model Candice Brook, Ex-Freundin von Rapper Chris Brown und NBA-Star Andre Drummond, liiert, trägt gerne auffällige und sündhaft teure Markenkleidung. Seinen Rücken ziert ein riesiges Tattoo - ein Selbst-Porträt, Leroy Sané mit ausgestreckten Armen beim Torjubel.
Klar ist: Ein Leader der Marke Kimmich oder Goretzka wird der Sohn des früheren Bundesliga-Profis Souleymane Sané nicht mehr werden. DFB-Kollege Toni Kroos bezeichnete Sané einst vielmehr als einen Spieler, der "gesagt bekommen muss, was zu tun ist".
FC Bayern: Hansi Flick wünscht sich mehr "Tempo"
Ein trotz Corona millionenschwerer Transfer wäre aus Münchner Sicht deswegen nur dann sinnvoll, wenn sich die Verantwortlichen zutrauen, Sané erfolgreich ins sportliche Gefüge einzugliedern und ihm zu mehr Konstanz zu verhelfen.
Dann könnte er auch Serge Gnabry, ebenfalls einer der fest eingeplanten Stützpfeiler der Zukunft, und dem zuletzt wiedererstarken Kingsley Coman auf den offensiven Außenpositionen Konkurrenz machen.
In Flicks Konzept jedenfalls dürfte eine Sané-Verpflichtung passen. Angesprochen auf mögliche Neuzugänge wünschte sich der Coach vor dem DFB-Pokalspiel gegen Eintracht Frankfurt explizit mehr "Tempo" auf den Außenbahnen in seinem Kader.
Dafür steht Leroy Sané, kein Zweifel. Für die von Oliver Kahn formulierten "Bayern-Tugenden" jedoch (noch) nicht.
Lissy Beckonert